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Ein Tag im Vinschgau

Aktualisiert: 2. Okt. 2021

Wer einen spektakulären, bis zum Bersten mit Erlebnissen gefüllten Tag erleben will, der tut manchmal gut daran, sich für ein Gebiet auf lediglich einen kurzen Zeitraum zu limitieren. Was bei anderen Blogs in dieser Serie bedingt durch meine Arbeit auf einem Kreuzfahrtschiff pure Notwendigkeit gewesen ist, ergab sich nun in meinem letzten Urlaub eher durch Zufall. Und ja, ich halte es durchaus für eine akzeptable Urlaubsstrategie, sich vom Schicksal treiben zu lassen. Dem geneigten Leser sollte durch die nun folgende Schilderung klar werden, wieso. Doch falls nicht, so plane ich in Zukunft einen längeren Text zu diesem Thema auf meinem Blog zu veröffentlichen. Aber beginnen wir besser einmal von Anfang an.


Der Beginn unserer Erzählung liegt in München und bei der recht spontanen Entscheidung, die Möglichkeit für einen ungeplanten Kurzurlaub mit meiner Freundin für eine Fahrt nach Südtirol zu nutzen. Wir setzten uns also an einem Montagabend in meinen kleinen Campingbus und starteten unsere Reise. Unser Ziel: das Dorf Schlanders an den Ufern der Etsch und zu Füßen des Ortlers. Schon mehrfach war ich da gewesen, zuletzt im Jahr 2020 auf meiner Alpenüberquerung mit den Mountainbikes. Und auch wenn ich meinen ersten Besuch in der Stadt hauptsächlich mit negativen Erinnerungen verbinde - ich hatte mich zum ehrenamtlichen Dienst auf einem wirtschaftlich angeschlagenen, traditionellen Bergbauernhof verpflichtet - ist die Region doch immer ein gewisser Sehnsuchtsort für mich geblieben. Immerhin verschmelzen hier zwei Dinge zu einer einzigartigen Kombination, die ich über alles schätze: italienisches Flair mit Bergen jenseits der 3000 m.ü.m.


Ein genauer Plan bestand nicht. Kein Campingplatz, kein Hotelzimmer war reserviert und ich bereitete mich mental auf einem Urlaub vor, der nach dem „Geht schon, passt schon“ Prinzip laufen würde. Aber führen wir die Erzählung chronologisch dort weiter, wo wir gerade abgeschweift sind: kurz hinter der Stadtgrenze München. Auf der Autobahn Richtung Garmisch, mit Ziel Fern- und Reschenpass fuhren wir in die untergehende Sonne. Wie Lucky Luke auf seinem Pferd: das alte hinter uns lassend und neuen Abenteuern entgegen. Bis zur Eröffnung einer weiteren Geschichte hat es aber an diesem Abend nicht mehr ganz gereicht. Nach längerer Fahrt entschieden wir uns auf einem Autobahnparkplatz an der Inntalautobahn, kurz vor der Ausfahrt Reschenpass zu nächtigen.


Als grundsätzliche Warnung zu dieser Strategie will ich anmerken, dass §3 (1) Des Tiroler Camping Gesetzes von 2001 folgendes besagt >> Das Kampieren außerhalb von Campingplätzen ist verboten […] << Ebenso fällt das Schlafen im Auto unter den Begriff des >>“Kampieren“ das Nächtigen von Personen in […] Kraftfahrzeugen, Wohnmobilen […] und dergleichen im Rahmen des Tourismus.<< Ob das Schlafen zur Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit auf einem offiziellen Autobahnrastplatz noch unter die Bezeichnung „im Rahmen des Tourismus“ fällt, das ist beliebter Diskussionspunkt in vielen Caravan-Foren. Ich maße mir hier nicht das notwendige Rechtsverständnis an, um diese Frage beantworten zu können. Somit kann ich aber diesen Reiseverlauf nicht notwendigerweise empfehlen, selbst wenn er für mich ohne Probleme verlief. Ein Grund dafür hat sicher mit den Uhrzeiten unserer Übernachtung zu tun. Um kurz vor Mitternacht angekommen und nach wenig Schlaf schon um halb sechs Uhr morgens wieder weiter. Das ist weder ein Zeitraum, der viele Möglichkeiten zum erwischt werden bieten noch in dem das Argument, gerade einen Beitrag zur Verkehrssicherheit zu leisten, wirklich von der Hand zu weißen wäre.

 

Somit erwachten wir also mit der aufgehenden Sonne eindeutig weniger als mehr ausgeschlafen und machten uns auf den Weg, unseren ersten Tag im Vinschgau zu erleben. Und der begann gleich nach unserer Überquerung des Reschenpasses mit der ersten Sehenswürdigkeit unserer Tour: dem halb versunkenen Kirchturm von Altgraun. Dieser ist in den letzten Jahren ein oft geteiltes Foto-Motiv geworden und zieht somit einiges an Touristenmassen an. Diesen sind wir aufgrund der frühen Stunde unserer Ankunft zum Glück komplett entgangen. Nur zwei andere Fahrzeuge teilten sich mit uns den Parkplatz, während wir zu einem kleinen Spaziergang am Seeufer starteten.

Kirchtum Altgraun Reschensee Stausee Vinschgau Graun
Der Kirchturm von Altgraun vor der Kulisse des Ortlers

Nach kurzem Fußmarsch fanden wir dann auch, wonach wir gesucht hatten: Eine Perspektive bei dem Kirchturm, See und der schneebedeckte Ortler alle miteinander ins Bild passten. Dass unser nächstes Ziel sehr viel näher an diesem traumhaft schönen Berg liegen würde, das wusste Isabelle noch nicht ganz. Und auch mein Hinweis, dass wir uns den jetzt einmal aus der Nähe ansehen würden, verriet nicht zu viel von meinen Plänen. Wir machten uns jedenfalls recht zügig wieder auf den Weg zurück zum Auto, denn die Luft war noch empfindlich kalt.

 

Das nächste Ziel war für uns das Stilfser Joch, doch vorher hatten wir noch ein anderes Problem zu bewältigen: Wir wurden so langsam hungrig. Um unseren Aufbruch vom Autobahnparkplatz zu beschleunigen, hatten wir bis jetzt noch nicht gefrühstückt. Zum Glück war mir spontan eine Lösung für das Problem eingefallen. Ich erinnerte mich an ein kleines Café in Prad am Stilfser Joch, in dem ich mit Clemens nach unserer Befahrung des Goldseetrails eingekehrt war. Ich hielt also in Prad direkt am Marktplatz, ohne wirklich zu wissen, ob dieses Bistro Frühstück servierte, geöffnet war oder überhaupt noch existierte. Wie sich herausstellen sollte, konnten meine erste und letzte Frage mit einem „Ja“ beantwortet werden. Und die Öffnung lag lediglich fünfzehn Minuten in der Zukunft. Somit hatten wir nun die Möglichkeit, ein wenig durch die Gassen von Prad zu schlendern und den Händlern beim Aufbau ihrer Marktstände zuzusehen.

Kuntrawant Café Kaffee Frühstück Prad am Stilfser Joch
Frühstück im Kuntrawant Café

Auf unserem Parkplatz am Marktplatz dürfte nur für eine Stunde am Stück gehalten werden, und somit waren wir genau mit Ablauf dieser Zeit zurück am Auto. Es gibt in Prad auch etwas versteckt einen größeren Parkplatz ohne Beschränkungen, diesen habe ich einmal hier für euch auf Google Maps markiert.

 

Mit meinem Ford Transit das Stilfser Joch zu erklimmen ging zwar deutlich schneller als mit meinem Mountainbike, hat mich aber ein ähnliches Maß an Nerven gekostet. Mein Respekt gilt den Busfahrern, die diese Straße mit ihren Linienbussen hinauf und hinunter fahren. Und einen schönen Gruß an Kevin aus Frankreich, der vor etwas mehr als fünf Jahren am Steuer eines deutliche größeren VW Crafter diese Herausforderung angegangen ist. Kevin hatte damals vier Kajaks am Dach und vier (sich selbst eingenommen), nach zwei Wochen Roadtrip fertige Kajakfahrer im Fahrzeug – und uns trotzdem sicher über den Pass gebracht. Dass er am anschließenden Passo Garvia einen unserer Reifen an die schmale mit spitzen Steinwänden gesäumte Straße opfern musste, erwähne ich nur insofern, als das auch mein Auto auf dieser Auffahrt eine unfreiwillige Opfergabe zu erbringen hatte, aber mehr dazu gleich.

Zunächst fuhren wir den Berg hinauf, durch die ersten vier von insgesamt 48 Haarnadelkurven bis zum Ort Tarafoi. Hier ist die Straße im Vergleich zu einigen Stellen im oberen Bereich sogar noch recht breit. Dort am Ortsausgang ereignete sich das Unglück. Ein entgegenkommendes Auto scherte etwas zu weit zur Mitte aus und mir blieb nichts anderes übrig, als meinen rechten Seitenspiegel mithilfe der Steinmauer am Straßenrand einzuklappen. Nur so konnte ich verhindernden den linken Außenspiegel des anderen Gefährts mitzunehmen. Zum Glück bestehen die Spiegelschalen beim Ford Transit meiner Baureihe aus stabilem Plastik und sind noch für manuelles Ein- und Ausklappen konstruiert. Abgesehen von ein paar oberflächlichen Kratzern in der Plastikschale blieben wir also von Folgen verschont. Und nach kurzem Halt in einer kleinen Parkbucht war alles wie vorher.


Slifser Joch Passo Stelvio von der Franzenshöhe aus gesehen
Der letzte Anstieg des Stilfser Jochs

Die Fahrt aufs Stilfser Joch dauerte eine ganze Weile, denn auch wenn sich 24 Kilometer nicht nach viel anhören, über den dritten Gang kommt man selten hinaus. An der Franzenshöhe stoppen wir noch einmal, um ein paar Fotos von der jetzt schon beeindruckenden Bergwelt zu machen. Und dann ging es weiter bergauf. Das letzte Drittel der Passstraße von Franzenshöhe bis zum Sattel ist sicher eines der ikonischsten Stücke Asphalt in den gesamten Alpen. Vom Pass aus gesehen windet sich hier eine nicht enden-wollende Abfolge von Serpentinen den Berg hinauf. Und von unten ist besonders beeindruckend, wie viele dieser Kurven auf gewaltigen Betonsockeln über den Berghang hinausragen und dem ganzen Bauwerk fast einen brutalen Anstrich verleihen. Ein Effekt, der durch den Kontrast zu satten Almwiesen noch verstärkt wird, der jedoch mit zunehmender Höhe wieder abnimmt. Denn wie Bäume auf dem Weg nach oben den Wiesen gewichen sind, so müssen diese sich bald unterhalb des Joches einer skurrilen Welt aus nacktem Stein geschlagen geben. Einem Reich, in der neben unbewachsenem Grundgestein nur noch Schneefelder und etwas höher noch die mächtigen Gletscher des Ortlers Farbe verleihen. Es hört sich eintönig an, doch das Gegenteil ist der Fall. Steile Wände aus tief zerfurchtem Gestein stürzen dort zu Tale, wo vor Jahrhunderten noch Gletscher geflossen sind. Die Hänge in Richtung des Piz Cotschen schimmern regelrecht rot im Morgenlicht und über uns liegen Gletscher wie weiße Decken an so steilen Berghängen, dass ihre Anwesenheit jeder Wahrscheinlichkeit zu spotten scheint - und sie trotz ihrer Macht und Kälte überraschend fragil wirken. Und in dieses Bild hinein bricht nun, bis auf die letzten zweihundert Meter der Straße von Kurven und den Wänden des Berges selbst verborgen, das Chaos des Passo Stelvio. Was ist das für ein Jahrmarkt auf 2757 Metern über dem Meer.

An der Tibethütte verbirgt sich diese unglaubliche Aussicht auf die Passstraße

Wir betreten ihn von Prad am Stilfser Joch kommend durch eine lang gezogene Rechtskurve, an dessen Außenseite eine Hundertschaft Motorräder wie stille Ritter in ihrer Rüstung bereitstehen. Das eindrucksvolle Spalier passiert, fahren wir ein in die Budengasse, wo in zahlreichen kleinen Läden Essen, Getränke und alle Arten von Souvenirs feilgeboten werden. Ankommende und abfahrende Autos und Motorradfahrer schlängeln sich hier durch Fußgänger, die zum Erreichen der Souvenirläden die Straße queren müssen. Dazwischen Radfahrer im Siegestaumel ob der geschafften Leistung und Wanderer mit leuchtenden Daunenjacken auf dem Weg in Richtung Ortler. Daneben eine Familie frisch aus dem Wohnmobil, der Papa in Sandalen zeigt sich mit dem vollen Stolz eines Gipfelstürmers. Ich erwähnte, dass die Fahrt auf den Pass mit größeren Autos durchaus anstrengend sein kann. Mountainbiker, vom Shuttle aus Schlanders gebracht, schleppen ihre Bikes in Richtung Goldseetrail. Rennradfahrer auf Maschinen in der Preisklasse eines Kleinwagens feiern sich für die Sekunden, die sie dem Berg heute abtrotzen konnten. Daneben eine ältere Frau mit einem Reiserad mit Satteltaschen und Anhänger, die an ihrem Tempo geschätzt, vielleicht schon fünf oder mehr Stunden an diesem Sieg gearbeitet und ihn nun endlich gewonnen hat. Dann kommt wieder der Bus eines Skivereins aus der Umgebung und eine Traube von Jugendlichen mit Skistiefeln stützt mit ihrem Sportgerät geschultert in Richtung Gondelbahn. Ein Ferrari fährt über die Passhöhe, doch in dem Chaos um die Budenstraße kann er auch nicht schneller als der Smart mit Berliner Kennzeichen direkt hinter ihm.


Das hin und her, das kreuz und quer fühlt sich für mich an wie eine Szene aus dem Stadtaltag von Kuala Lumpur oder vielleicht Bangkok. Und möglich wird dieses bunte Sammelsurium nur durch den Ort selbst, durch die Buden und Hotels, die Restaurants und Trails, durch Gletschereis und Fernsicht und die Sportler, Automobilisten, Motorradfahrer aller Couleur, die dem unüberhörbaren Ruf dieses Ortes gefolgt sind.

Und trotz dieses wilden Durcheinanders ist es hier überraschend ruhig. Vor Ort ist mir das nie so aufgefallen, aber als ich zum Schreiben dieses Blogs meine Erinnerungen durchforstet habe, da stolperte ich über diesen Gedanken. An den Buden herrschte geschäftiges Treiben, überall fuhren Autos kreuz und quer durcheinander, die Terrassen der Restaurants waren voll besetzt. Und doch scheinen wir hier nicht von der üblichen Glocke an Altagslärm umgeben, die großen Menschenmassen sonst immer begleitet. Ich habe für die Ursache zwei Thesen, eine langweilige (nicht bevorzugte) und eine romantische (bevorzugte). Die langweilige besagt, dass sich gar nicht so viele Menschen hier befinden und der Eindruck einer Menschenmasse nur durch die beengten Verhältnisse entsteht. Die romantische dagegen deutet an, dass die Besucher am Pass, im Schatten gewaltiger Berge und dem Himmel näher als sonst unbewusst ihre Stimme senken. Welche von beiden Thesen den Sprung zur Theorie schaffen wird, ist noch nicht klar. Aber ich plane für das nächste Jahr fest mit einem längeren Aufenthalt in einem dieser Cafés am Sattel. Mit den Beobachtungen aus dieser Forschungsreise sollte sich Licht ins Dunkel bringen lassen.


Doch genug von der Schwärmerei und wieder zurück zu unseren Reisenden, also zu Isabelle und mir, die jetzt auch einen Parkplatz für ihr Auto gefunden haben. Wir entschieden uns zu einem kurzen Spaziergang auf die Dreisprachen Spitze. Von dort hat man einen besonders schönen Blick auf die erfolgreich bewältigte Passstraße. Und auch wenn die Wanderung kaum der Rede wert ist, so sollte doch erwähnt werden, dass man sich hier per Definition im hochalpinen Gelände aufhält. Und in dem ist wie immer Vorsicht geboten. Wenn nicht aufgrund der Schwere des Wanderweges, dann aufgrund der Höhenluft, die bei umgewöhnten Wanderern durchaus schon Probleme verursachen kann. Den Spaziergang abgerundet hat noch ein kurzer Besuch an der Tibet-Hütte, die ich ein Jahr zuvor auf der Transalp als Hotel genutzt habe. Das kann ich Bergromantikern durchaus empfehlen, wobei es in diesem Falle leider nicht ganz in meine Reiseplanung gepasst hat.

 

Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass ich in meinem Leben sehr viel campen war. Und oft auch spontan. Abgesehen von dem gelegentlichen, halblegalem Wildcamping habe ich die meisten dieser Ausflüge auf ganz normalen Campingplätzen verbracht. Und auf der überwiegenden Mehrheit dieser Plätze bin ich spontan eingetrudelt. Das Campingplätze voll belegt sein können, dass war mir schon bewusst, jedoch durch eine Vielzahl anderer Erfahrungen in meinem Kopf weit nach hinten gedrängt.


Das der von mir angepeilte Campingplatz voll besetzt sein würde hatte ich schon halb von deren Website vermutet. Leider habe ich auch zunächst niemanden ans Telefon bekommen und dacht mir dementsprechend, dass vorbeischauen vielleicht helfen würde. Immerhin hat das schon mehrfach funktioniert. Und da mir der Camping Vogelsang in Schlanders jetzt schon mehrfach empfohlen worden ist wollte ich eben gerne mal die Chance auf einen Test nutzen.


Carpaccio im Hotel Goldener Löwe in Schlanders
Mittagessen in Italien

Aber leider war dieser Platz schon, wie befürchtet, ausgebucht. Und nicht nur dieser. Denn vielleicht sollte ich erwähnen, dass all meinen Erfahrungen bezüglich der Verfügbarkeit von Campingplätzen aus der Zeit vor dem großen Corona-Campingboom von 2020 stammen. Und dementsprechend sind meine Erfahrungen vielleicht nicht mehr ganz so aktuell. Wie weit ich hinter den Puls der Zeit gefallen war, musste ich nun mit Schrecken feststellen. Denn während wir auf der Suche nach einem Mittagessen durch die Gassen von Schlanders bummelten, telefonierte ich einen Campingplatz nach dem anderen im Tal ab. Alle mit dem gleichen Ergebnis: Voll. Ich wurde langsam ein wenig nervös, denn wenn Wildcampen in Tirol schon nicht gerne gesehen war, dann wird es in Südtirol wirklich nicht gerne gesehen. Zum Glück war ich hier mit meiner Freundin unterwegs, der es gelang meine Aufmerksamkeit erst einmal wieder auf wichtigere Dinge zu richten, nämlich auf das Essen.


Eis Essen in Schlanders
Und der Nachtisch

Nach einem kurzen Spaziergang fanden wir uns im Innenhof des Hotels Goldener Löwe wieder, wo ein ganz exzellentes Restaurant nicht nur die Hotelgäste mit allem Notwendigem für das leibliche Wohl versorgt. In unserem Fall bedeutete dies: Captatio und Pasta. Die Freuden der italienischen Küche lenkten mich dann zumindest kurz von dem Gedanken ab keinen Übernachtungsplatz zu finden. Aber ganz mochte der nagende Zweifel dann doch nicht verschwinden, was der Schönheit des Augenblickes leider nicht zuträglich war. Und so war ich, in einem kühlen Schattigen Innenhof, mit gutem Essen vor mir, dem sanften Plätschern der Gespräche um mich herum und meiner Traumfrau gegenübersitzend leider doch hauptsächlich mit meinem Handy und der Suche nach einem Platz für die Nacht beschäftigt.


Ich rede immer wieder gerne von den Vorteilen des spontanen Reisens, will jedoch auch solche Momente nicht verschweigen. Denn in diesen wird mir immer wieder klar, dass es eben nicht jedermanns Urlaubsweise sein kann.


Auf der Suche nach Campingplätzen bewegte ich mich jetzt auch außerhalb des Tales der Etsch, weiter südlich in Richtung Val di Sol. Aber auch hier waren für die Nacht keine Campingplätze mehr frei. Worüber ich um ehrlich zu sein auch ganz froh war. Denn so schön die Campingplätze am Noce auch sind, die Fahrt dorthin wäre eine elendige Gurkerei. Schließlich wurde ich aber doch noch fündig, auf Empfehlung eines sehr freundlichen Telefonisten vom Camping Sägemühle in Prad am Stilfser Joch. Der riet mir nämlich zum Wohnmobilstellplatz in Kurzras, oberhalb des Vernagt-Stausees. Auch dieser See war mir von der Alpenüberquerung her schon ein Begriff – damals hatten wir den Alpenhauptkamm von Vent nach Vernagt über die Similiauenhütte gekreuzt. Die Abfahrt vom Stausee bis ins Tal der Etsch gehörte, obwohl nur auf der Straße geschehen, zu den nervenaufreibendsten der gesamten Tour. Damals waren uns die Ersatzbremsbeläge ausgegangen und meine schon bedrohlich abgenutzt. Gefühlt nur noch eine haaresbreite Bremsbelag lag zwischen dem Kontakt von Metall auf Metall – und dem vermutlich nur wenige Sekunden später folgenden Kontakt meines Vorderrades mit der nächsten Leitplanke.

Es ist also verständlich, dass ich damals nur wenig Aufmerksamkeit für die Schönheit der Natur um mich herum aufbringen konnte. Dafür hatte ich jetzt, mit meinem Bus hinter einem größeren Luxuswohnmobil gefangen um so mehr Zeit. Ein Überholmanöver war auf der schmalen Bergstraße ohne Aussicht auf Erfolg und so hieß es sich in Geduld zu üben. Und um ehrlich zu sein, war ich froh drüber zur Abwechslung mal nicht das langsame Auto an der Spitze einer Kolonne aus wartenden Fahrern zu sein.

 

Schlussendlich erreichten wir dann aber doch den Wohnmobilstellplatz in Kurzras, lösten unser Ticket am Automaten und suchten einen Parkplatz. Der Stellplatz ist, für Stellplatzverhältnisse, hervorragend ausgestattet mit Toiletten, Duschen und einer Spülküche. Und das alles auch noch recht preiswert, zumindest, solange man in der Nebensaison da ist. Aber Vorsicht, der Automat zum Bezahlen nimmt nur Bargeld an. Die Parkplatzsuche war mit ein wenig hin und her verbunden, und fast habe ich mich dabei schon wie ein Klischee-Camper gefühlt, der erst einen ganzen Platz zu Fuß abgeht, um ja nur den besten Haltepunkt für sein Wohnmobil zu finden. Uns war es aber wichtig, durch die Hecktürfenster einen unverstellten Blick auf das Bergpanorama zu haben. Dabei ging es weniger um die Berge selbst, sondern die Hoffnung des Nachts, aus dem Bett heraus die Sterne beobachten zu können. Die nächtliche Beleuchtung des Stellplatzes sollte sich hier zwar als hinderlich herausstellen, dennoch wurde die Sternbeobachtung zum vollem Erfolg.

Doch zunächst befinden wir uns noch in der Zeitspanne des Nachmittags. Dank strahlendem Sonnenschein war auch die etwas niedrigere Temperatur auf knapp 2000 m. ü. m gut zu ertragen und um uns noch zusätzlich zu wärmen, entschlossen wir uns zu einem kurzen Spaziergang in das Dorf. Kurzras ist nicht gerade groß. Vier Hotels, ein Supermarkt, zwei Gondelbahnen, drei Restaurants und sechs Dreitausender in direkter Nachbarschaft zum Dorf. Es ist eine pittoreske Bergkulisse, in der wir die nächsten Tage mit Wanderungen verbringen sollten, doch das ist ein Thema für einen anderen Blog. Doch für heute stand nun nicht mehr Aktivität, sondern Entspannung im Vordergrund. Autofahren ist anstrengend und auch bei unseren diversen Spaziergängen dürften wir mittlerweile eine zweistellige Kilometerzahl gesammelt haben.


Das Ziel war also klar: Ein kleines Café auf dem Hauptplatz, wo wir uns bei Eis und Cappuccino die Bergluft um die Nase wehen ließen. Und nun, mit dem Autofahren für den Tag erledigt, konnten wir endlich auch zu Aperol Spritz und Italienischem Wein übergehen. Leicht angeheitert führten uns die Schritte vom Café in den nebendran gelegenen Supermarkt, wo wir einen größeren Vorrat an Südtiroler Speck und Wein erwarben. Heute, fast drei Wochen später, ist dieser noch immer nicht aufgebraucht, wenn er sich auch langsam dem Ende zuneigt – ein Fakt, der mich durchaus traurig macht, denn mit diesen Lebensmitteln haben wir noch etwas Urlaubsfeeling bei uns im kalten Deutschland. Ein Ersatz einzelner Produkte ist mithilfe eines Feinkostfachhändlers zwar durchaus möglich, aber im Vergleich zu den Preisen vor Ort erheblich teurer. Also warten wir lieber auf den nächsten Sommer und die nächste Reise ins Vinschgau.

Unser Abendessen

Und auch wenn hier nun ein guter Punkt für ein Ende ist, ich habe noch zwei Dinge zu berichten, bevor sich unser Tag im Vinschgau dem Ende zuneigt: Zum einen will ich das Abendessen nicht unerwähnt lassen. Nach den bereits ausufernden kulinarischen Erlebnissen des Tages entschieden wir uns zum Abendessen eher zur gemütlichen Variante. Speck, Brot, Käse und Aufstrich aus unseren frisch erworbenen Vorräten und dazu eine Flasche Wein. Das alles vor der wahnsinnigen Bergkulisse brachte seinen eigenen Reiz mit sich. Und nach dem Abendessen, sowie einer längeren Zeit, die wir mit Lesen und Reden verbrachten, war es eben doch noch dunkel genug zum Sterne gucken. Aber leider nicht aus dem Fenster unseres Vans, dafür war der Stellplatz einfach zu hell erleuchtet. Stattdessen starten wir in der jetzt doch recht frischen Nacht zu einer kurzen Wanderung den Berg hinab, bis die Lichter der Stadt außer Sicht waren.


Dort lagen wir auf einer Almwiese und bewunderten den Sternenhimmel samt Milchstraße über uns. Die anfänglichen Versuche das Bildlich festzuhalten, gaben wir schnell erfolglos auf. Stattdessen nutzte ich mein Handy, um ein Romantisches Lied abzuspielen. Und in einem Moment, der so lächerlich klischeehaft ist, dass man ihn sich fast nicht ausdenken kann, zog genau in diesem Moment eine Sternschnuppe über uns hinweg.


So endete unser Tag im Vinschgau. Ein Tag vollgepackt mit schönen Aussichten, gutem Essen und jeder menge Romantik. Über die folgenden drei Tage will nun den Mantel des Schweigens hüllen. Nur so viel: Es wird nicht unsere letzte Reise in diese Region gewesen sein.

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