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Schwierigkeitsskala
Wildwasser Kajak

Wenige Schwierigkeitsskalen sind so umstritten und frei interpretierbar wie die Wildwasserskala. Zunächst ist da der Unterschied zwischen technischem Wildwasser, das höchste Präzision erfordert, und „Wuchtwasser“ wo vor allem Kraft und Ausdauer wichtig. Dann gibt es in Alpenbächen zusätzliche Gefahren wie siphoniert oder unterspülte Steine, die selbst bei Flüssen niedriger Schwierigkeit Fehler mit tödlicher Konsequenz bestrafen können. Nicht umsonst gibt es das Konzept eines „Gefahren Fünfers“ – Ein Bach der von der reinen Schwierigkeit leichter zu bewerten ist, dem aufgrund der Fehlerkonsequenz aber doch das WW V Siegel verliehen wird. Ebenso ist die Wildwasserskala (zumindest in meinem Verständnis) fast logarithmisch aufgebaut – solle heißen: Der Sprung von WW III auf WW IV ist genau so groß wie der Sprung von WW 0 auf WW III. Das bedeutet auch, dass komfortables Bewältigen eines Schwierigkeitsgrads noch lange nicht sicherstellt, dass ein Versuch an der nächst höheren Kategorie erfolgreich ist. Nicht umsonst scheinen vor allem Paddler bei ihren ersten Versuchen auf WW IV besonders häufig in schwere Unfälle verwickelt. Hinzu kommt, dass die Schwierigkeit von Flüssen mit verändertem Wasserstand erheblich schwanken kann. Bei manchen Alpenbächen könnte ein halber Meter Wasserhöhe den Unterschied zwischen „gemütlicher Tour“ und „sicherer Tod“ machen. Aufgrund der erheblichen Risiken und für Anfänger undurchsichtigen Bewertung muss verantwortungsvoller Kajaksport in einem Verein oder in einer Kajakschule gelernt werden. Die hier beschriebenen Schwierigkeitsstufen orientieren sich an der Skala des DKV

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Wildwasser der Stufe I sind in der Regel breite Flüsse mit gemächlicher Strömung. Diese verläuft nach regelmäßigen, vorhersehbaren Mustern. Die Route ist vom Kajak aus problemlos erkennbar und Fehler in der Routenwahl haben keine Konsequenz (Ausnahme stellen hier die schon erwähnten siphonierten Steine und Baumhindernisse da, die bei jeder Schwierigkeit tödlich sein können). Ebenso sind Einzelstellen problemlos zu umtragen. Zum sicheren Bewältigen der Tour sind keine speziellen Paddeltechniken wie Kerwasserfahren oder Traversieren notwendig. Lediglich die Grundausrüstung Helm, Schwimmweste, Wurfsack muss mitgeführt werden. Touren dieser Schwierigkeit können üblicherweise auch noch mit einem Schlauchboot bewältigt werden.

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Wildwasser der Stufe II ist schon die obere Grenze dessen, was ein unbedarfter Schlauchbootpaddler noch bewältigen kann. Durchfahrten sind in der Regel frei und vom Boot aus noch gut erkennbar, jedoch sind Strömungen teilweise unregelmäßig und unvorhersehbar. Neben Wellen treten auch kleinere Walzen, Presswasser oder Gefällestufen auf, die Fehlerkonsequenz ist jedoch noch überschaubar. Gelegentliche Steine oder Steinhindernisse verlangen aktive Richtungswechsel in Schwallen. Die Grundlagen des Kehrwasserfahrens sind notwendig, um Einzelstellen zu bewältigen.

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Wildwasser der Stufe III wird bereits als schwierig tituliert. Durchfahrten bleiben noch übersichtlich, sind nun aber mit Hindernissen wie Steinblöcken oder Stufen versehen, die eine gezielte Routenwahl mit mehreren Richtungswechseln verlangt. Kehrwasserfahren und Traversieren sind für eine optimale Routenwahl zwingend erforderlich. Das Umtragen von Einzelstellen bleibt möglich, aufgrund des erhöhten Zeitaufwandes aber nicht immer sinnvoll. Ebenso müssen bei einer schwächeren Gruppe bereits anspruchsvollere Einzelstellen abgesichert werden. Somit sollten alle Paddler mit der Grundlagen der Rettungstechniken vertraut sein. Wildwasser drei ist die Obergrenze dessen, was normale Paddler in auf Tricks ausgelegten Kurzbooten bewältigen können.

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Wildwasser der Stufe IV ist schon für erfahrene Gelegenheitspaddler eine erhebliche Herausforderung. Einzelstellen sind oft so unübersichtlich, dass vorherige Besichtigungen zum Finden einer Durchfahrt notwendig sind. Höhere Stufen sind an der Tagesordnung. Walzen und Rücksoge sind stark genug, um Schwimmer unter Wasser festzuhalten. Somit sind fortgeschrittene Rettungstechniken zwingend erforderlich. Ebenso sind Schwimmer mit teilweise ernsten Konsequenzen verbunden, eine sichere Eskimorolle ist also erforderlich. Zum Befahren werden spezielle Boote mit ausreichend Auftrieb benötigt und unberechenbare Strömungselemente verlangen exakte, sekundenschnelle Reaktion. Aufgrund des hohen Zeitaufwandes ist nicht mehr jede markante Einzelstelle sicherbar, stattdessen beschränkt man sich nur noch auf gefährliche Abschnitte. Ab dieser Schwierigkeit stellt plötzlich einsetzender Regen eine erhebliche Gefahr dar. Ein Fahrtabbruch ist oft nur unter erheblichem Aufwand möglich.

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Ab Wildwasser V gilt die Devise „Sicher Fahren statt Absichern“; der Zeitaufwand einer Absicherung jeder potenziell gefährlichen Stelle steht in keiner Relation mehr zum Sicherheitsgewinn. Ebenso stellt die Rettung ein erhebliches Risiko für die Retter da und ebenso oft ist eine sinnvolle Absicherung aufgrund des lokalen Terrains schlicht nicht möglich. Beinahe jede Einzelstelle ist komplex genug, um eine Besichtigung zu verlangen, dies ist aber aufgrund des verbundenen Zeitaufwandes nicht möglich. Eine Strecke zu fahren, die einem unbekannt ist, bedeutet in der Regel mit einer Gruppe erfahrener Paddler unterwegs zu sein und sich durch den Fluss „Hindurchcoachen“ zu lassen. Neben der generellen Unübersichtlichkeit sind teilweise hohe Gefällestufen mit anspruchsvollen Ein- und Ausfahrten vorhanden und eine Vielzahl von Einzelstellen kann mit potenziell tödlicher Konsequenz für Fahrfehler aufwarten. Beim Equipment sind je nach Fluss Kletterausrüstung und Vorräte für ein Notbiwak zwingend erforderlich. Nicht immer ist ein Fahrtabbruch möglich.

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Wildwasser VI ist die Grenze der Befahrbarkeit. In der Regel kann diese Schwierigkeit nur von den Besten der besten unter seltenen Optimalbedingungen bewältigt werden.

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