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Der Oberlandsteig - Eine alpine Tour in Nordbayern

Aktualisiert: 2. März 2023


Die Dörfer Aicha und Konstein im Urdonautal dürften vielen Münchner Kletterern ein Begriff sein. Immerhin türmen sich hier eine Vielzahl von Felsnadeln und Wänden gen Himmel empor und bieten ein hervorragendes Klettergebiet mit Routen in allen Schwierigkeiten. Und das Beste ist, dass eben diese Kletterfelsen dank ihrer niedrigen Lage deutlich länger im Jahr und sehr viel einfacher zu erreichen sind als viele ihrer alpinen Brüder und Schwestern. Auch sonstigen Naturfreunden dürfte zumindest das Urdonautal ein Begriff sein. Nachdem die Donau in Urzeiten ihren Lauf änderte, Konstein und Dollnstein wortwörtlich links liegen lies, bildete sich hier eine einzigartige Landschaft. Die markant hervorstechenden Felstürme an den Hängen des Tales verbinden sich mit den charakteristischen Magerkalkwiesen zu einem ungewöhnlichen Naturraum. Dieser bietet seltenen Wildblumen, Schmetterlingen und Vögeln eine perfekte Heimat. Und mitten durch führt der Urdonautal-Radweg, sowie mehrere Langdistanz-Wanderwege, die alle miteinander genügend Beschäftigung für Tagestouristen wie Kilometerjäger darbieten.

Der Einstieg in den Klettersteig im Morgenlicht

Wer also genug davon hat, sich in Richtung Garmisch oder Salzburg in den allgegenwärtigen Münchner Wochenendstau zu stellen, der kann durchaus mal die Reise nach Norden wagen und findet dort ein pittoreskes Fleckchen Erde, weitestgehend unberührt von den Massen. Und das Beste ist, dass hier schon bei frühlingshaften Temperaturen gewandert, geradelt und geklettert werden kann, während die Alpen noch unter einer dicken Schneedecke liegen. Und auch die Grenze nach Österreich, die unter aktuellen Covid-Auflagen durchaus einem Abenteuer ein jähes Ende setzen kann, ist im Urdonautal weit aus den Augen und dem Sinn.

 
OBBY Oberland & Felsensteig
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Doch nun zu der Tour, die ich euch heute vorstellen möchte, zum Felsensteig und Oberlandsteig, die sich am nördlichen Talhang von Konstein bis Aicha entlangschlängeln. Es ergibt Sinn beide Routen gemeinsam zu besprechen, denn grundsätzlich verlaufen beide über recht lange Strecken auf den gleichen Wegen. Die Varianten, wo man sich zwischen einem der beiden entscheiden muss, machen also den Unterscheid. Während dieser Stellen mutiert der Oberlandsteig an zu einem reinrassigen und durchaus nicht anspruchslosen Klettersteig oder wirft uns ungesicherte Kraxelpassagen durch große Blocksteingärten entgegen. Der Felsensteig dagegen bleibt durchgehend leichter als der Oberlandsteig. Zwar gibt es auch hier einzelne Stellen, die besser mit dem Einsatz der Hände bewältigt werden sollten, alles in allem dürfte der Felsensteig jedoch für Wanderer mit alpiner Erfahrung problemlos machbar sein. Zugleich fungiert er als Umgehungs- und Abbruchsmöglichkeit für den Oberlandsteig. Das gibt diesem Klettersteig wiederum einen deutlich entspannteren Charakter, als vielen alpinen Routen. Wer sich zum ersten Mal an einem Klettersteig versuchen möchte, der hat hier ein hervorragendes Übungsgebiet. Dennoch ist die Route nicht ganz ohne, aber dazu mehr bei den Details.

Von München kommend nehmen wir am besten die A9 bis zur Ausfahrt Lenting hinter Ingolstadt. Dann weiter über die Bundesstraße 13 bis zur Abfahrt Richtung Wellheim. Den entsprechenden Schildern folgen wir bis nach Konstein, wo wiederum der Parkplatz Dohlenfelsen ausgeschildert ist. Am Sportheim können wir unser Auto abstellen und uns für die Wanderung bereit machen. Bei entsprechendem Wetter lohnt es durchaus am Dohlenfelsen (direkt gegenüber unseres Parkplatzes) stehen zu bleiben und den Kletterern zuzusehen, die sich hier auf anspruchsvollen und weltberühmten Mehrseillängentouren dem Gipfelkreuz entgegenbewegen. Nur so viel sei vorweggenommen: Auch wir haben im späteren Verlauf unsere Tour die Chance, einen der hinteren Gipfel des Dohlenfelsens zu erklimmen. Was aber an der Südwand eine sagenhaft anstrengende und langwierige Kletterei ist, wird vom Oberlandsteig aus zu einer kurzen, einfachen Kraxelei.

Doch um die zu erreichen, müssen wir zunächst ein wenig Wandern. Vom Parkplatz aus laufen wir neben der Straße nach Konstein hinein, bis wir an der ersten Möglichkeit nach rechts auf die Seitenstraße abbiegen. Ein Haus müssen wir passieren, dann sehen wir schon ein Schild, das uns den Einstieg von Felsen- und Oberlandsteig signalisiert. Erster ist ab hier mit roten, zweiter mit blauen Punkten markiert. Und solange sich beide denselben Weg teilen, sind auch die Markierungen zweifarbig angebracht. Ein kleines Stück geht es jetzt auf einem Pfad steil bergauf, bis wir uns in einer Felsrinne wiederfinden. Diese Kraxelpassage ist durchaus nicht ohne und vor allem komplett ungesichert.

Ein Beispiel für die typischen Wegmarkierungen

Egal welchen der beiden Steige wir schlussendlich gehen wollen, hier müssen wir hinauf. Jedoch unterscheidet sich die Bedeutsamkeit der Stelle je nach Steig. Sind wir auf dem Oberlandsteig unterwegs, so können wir diese Passage als leichte Einstimmung auf die kommenden Schwierigkeiten nehmen, auf dem Felsensteig aber befinden wir uns nun an einer der zwei Kernstellen. Oder um es anders zu sagen: Wer von dieser Eingangstelle schon gefordert ist oder zittrige Knie bekommt, der bleibt besser auf dem Felsensteig.

Die Aussicht vom Dohlenfelsen

Weiter geht es wiederum einen kleinen Pfad am Hang entlang, bis wir zur ersten Trennung zwischen blauem und rotem Weg kommen. Kurz zuvor haben wir noch die Möglichkeit nach rechts auf den Dohlenfelsen zu kraxeln. Die Schwierigkeit hier ist ähnlich der ersten Felsrinne mit dem entscheidenden Unterschied, dass wir dieselbe Kletterei auch bergab schaffen müssen. Die Aussicht ist dennoch lohnenswert, obwohl der schmale Gipfel wahrlich kein ungefährlicher Ort ist. Daher kann ich diesen Aussichtspunkt ausschließlich Personen mit überdurchschnittlicher alpiner Erfahrung empfehlen.


Gleich nach dem kurzen Exkurs auf den Dohlenfelsen trennt sich der Oberlandsteig zum ersten Mal vom Felsensteig. Den blauen Punkten nach links bergauf folgend, gelangen wir bald zu einer der Kernstellen des Oberlandsteiges. Hier wartet über etwa zehn Höhenmeter eine weitere, ungesicherte Kraxelei eine Steilwand hinauf. Die Stelle ist deutlich steiler als die erste Kraxelstelle am Einstieg. Zudem erwartet uns hier auf halber Höhe eine nicht ganz anspruchslose Querung über einen abschüssigen und recht glatten Felssims. Am Gipfel der Felswand gibt es die Möglichkeit sich einen Standplatz zu bauen, wenn man etwa mit Kindern unterwegs ist und von oben eine Seilsicherung geben möchte. Mindestens einer aus der Gruppe muss aber auf jeden Fall ungesichert diese Wand hinauf, denn abgesehen von einem Bohrhaken auf halber Höhe existieren keine weiteren Optionen zur Selbstsicherung.


Beispiel für eine Ungesicherte Passage

Im Anschluss geht es am Berg entlang mit einem Mix aus normalen Pfaden und weiteren ungesicherten Kraxelpassagen, sowohl bergauf als auch bergab. Schwierigkeitsmäßig sind diese aber deutlich leichter als die beiden bisher im Detail beschriebenen Stellen. Es dauert nicht sehr lange, dann erreichen wir den Gipfel einer weiteren Felsnadel. Hier gibt es noch einmal eine Chance für eine kleine Pause und im Anschluss beginnt endlich der echte drahtseilversicherte Klettersteig. Der führt uns zunächst bergab und dann horizontal an der Wand entlang. Immer wieder sind hier Stahlstangen als Tritte in den Fels geschlagen. Mit der senkrechten Wand direkt unter unseren Füßen erinnert diese Stelle ein wenig an das "Brett" auf dem Höllentalsteig zur Zugspitze, auch wenn wir bei Weitem nicht so hoch über dem Boden stehen. Und noch etwas ist anders: Direkt unter uns befinden sich die Routen des Felsen "Lucky Luke", einer der anfängertauglichsten Optionen in der Gegend. Dementsprechend können wir hier den Klettern quasi auf den Kopf sehen. Das bedeutet aber auch, dass uns an dieser Stelle auf keinen Fall irgendetwas herunterfallen darf, da es wohl unweigerlich jemanden treffen würde.


Das Drahtseilstück wird zweimal durch kurze Wegstücke durchbrochen, auf denen wir uns kleine Pausen gönnen können. Schlussendlich treffen wir wieder auf den Felsensteig, der gleich darauf in einem bereiten Forstweg endet. Diesem folgen nun in Richtung Aicha bergab. Wer schon genug hat, für den ist diese Stelle eine gute Möglichkeit, um die Wanderung vorzeitig zu beenden. Wer weiter will, der folgt den Schildern, die uns nun wieder den Berg hinauf führen. Nach einem gemeinsamen auf und ab von Felsensteig und Oberlandsteig trennen sich die beiden Wege an der Oberlandwand erneut. Hier gilt es die Jahreszeit zu beachten, denn im Frühjahr brüten in der Felswand selten Vögel. Dann ist der Oberlandsteig, der mit einem Drahtseil direkt auf dem Grat der Wand entlangführt, gesperrt. In diesen Monaten bleibt nur der Umgehungsweg über den Felsensteig.

Im Anschluss teilen sich nun Felsen- & Oberlandsteig für weite Abschnitte die Pfade. Wenn der Oberlandsteig mal abweicht, dann ist es jetzt auch eher weniger Klettersteig und mehr Kraxelei über Gesteinsfelder. Maximal kurze Stücke sind hier noch drahtseilversichert. Ein markanter, drahtseilversicherter Kamin zeigt noch einmal an, dass die Schwierigkeiten gleich zunehmen. Nach Erklimmen dieses Stückes geht es in einer ungesicherten Gratwanderung über Stock und Stein, solange bis wir den Felsensteig quasi links direkt neben uns sehen. Nun gilt es mehrere sehr steile Kraxeleien zu bewältigen, die uns aber Schritt für Schritt auf immer höhere Felstürme führen. Die Aufstiege sind gut machbar, allerdings müssen auch einige Bergabstücke gemeistert werden. Schlussendlich und kurz vor unserem erneuten Zusammentreffen mit dem roten Weg überqueren wir den höchsten dieser Türme. Der Gipfel kann durch eine kurze optionale Klettereinlage erreicht werden und bietet grandiose Aussichten über das ganze Tal.


Von hier an aus laufen wir ein langes Stück gemeinsam mit dem Felsensteig auf denselben Pfaden. So lange, dass es sich fast ein wenig zieht. Erst kurz vor Ende gibt es noch einmal einen großen Unterschied zwischen beiden Steigen. Der Oberlandsteig klettert hier, mit Drahtseil abgesichert, ein senkrechte Wand auf einen Felsenturm hinauf. Beim Umgehen des selbigen mit dem Felsensteig können wir ein paar beeindruckende Felsformationen betrachten, dafür haben wir auf dem Oberlandsteig eine grandiose Aussicht.

Danach ist es nur noch ein kurzer Abstieg bis nach Aicha, und dann geht es durchs Tal entspannt zurück zu unserem Ausgangspunkt. Oder wer vom Oberlandsteig noch nicht genügend ausgepowert ist, kann über den Felsensteig zurückwandern. Dieser ist auch in die Gegenrichtung möglich, jedoch stellt die ungesicherte Kraxelpassage ganz am Ende eine erhebliche Herausforderung beim Abstieg da. Den Oberlandsteig kann ich aber in die Gegenrichtung nicht empfehlen, da die ungesicherte Kletterpassage des Oberlandsteigs bergab nach meinem Gefühl eher zu gefährlich ist. Wer den Felsensteig als Warm-up nehmen will, der wandert am besten im Tal zurück, legt dann eine entspannte Mittagspause am eigenen Auto ein und startet wieder von vorne.


Ganz egal wie es laufen soll, beide Steige sind auch für alpin erfahrene Wanderer schöne Touren, die abseits von den Münchner Touristenmassen auf jeden Fall einen Besuch wert sind.



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